Zehn Jahre Arbeit

Mitte der 70er Jahre wurde der Pfauen zum letzten Mal vollständig saniert und modernisiert. 2011 – also vor zehn Jahren – analysierte die Stadt als Eigentümerin den Zustand des Gebäudes: Eine komplette Instandsetzung ist unausweichlich. Wie weit aber sollte diese gehen? Dazu wurde eine erste Machbarkeitsstudie (MBS) erstellt. Wie sich zeigte, würde eine reine Sanierung den Theaterbetrieb sogar erschweren – weil der komplexe Bau an viele neue Gesetze angepasst werden muss. Das würde viel von dem Platz kosten, der heute schon viel zu knapp ist.

Also machten sich die Architekt:innen auf die Suche nach neuen Lösungen und Machbarkeiten. Der Verwaltungsrat des Schauspielhauses entschied sich früh, dass man am Standort Heimplatz bleiben wollte und der historische «Blockrand» (die Häuser, die den von Zuschauersaal und Bühne bebaute Innenhof umgeben). So entstand die Variante eines Teilneubaus, die ausreichend Raum schaffen würde, um die Bedürfnisse des Theaters auf lange Sicht zu erfüllen.

Weil sich der Zuschauersaal im Inventar der städtischen Denkmalpflege befindet, klärte diese den Wert des Gebäudes sorgfältig ab: Der Pfauensaal ist baukulturell ein wertvolles Zeugnis und sollte erhalten werden. Vor allem die sozial- und kulturhistorisch wichtigen Ereignisse zur Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit machen den Pfauen zu einem wichtigen Denkmal.

Der Zürcher Stadtrat stand 2018 – die Arbeiten dauerten schon sieben Jahre – vor einer äusserst anspruchsvollen Güterabwägung: Was ist in Zürichs Interesse höher zu gewichten: der Wert des Pfauensaals als wichtiges Baudenkmal? Oder die Perspektiven des Schauspielhauses, auch in 30 oder mehr Jahren an diesem Ort noch Theater auf höchstem Niveau bieten zu können? Der Stadtrat entschied sich für das Zweite.

Die Reaktionen waren heftig. Der Heimatschutz legte gegen den Entscheid vor Gericht Rekurs ein (das Verfahren ist aktuell sistiert). Im Stadtparlament, dem Gemeinderat, entfachte eine heftige Debatte. Zwei Parlamentarier lancierten eine Motion, die – mit Anpassungen – im Januar 2019 mit grossem Mehr überwiesen wurde: Der Stadtrat musste über die Bücher und zusätzlich auch Zwischenvarianten prüfen, bei denen der Saal erhalten blieb, aber bauliche Eingriffe erfahren durfte. Im Gegenzug erlaubte das Parlament, dass man weitere Flächen im Blockrand einplanen (sprich: dazukaufen) darf.

Und wieder machten sich die Architekt:innen an die Arbeit. Zwei weitere Machbarkeitsstudien wurden erstellt. Rund zwanzig bauliche Varianten wurden entwickelt und bewertet. Von denen heute vier in der engeren Wahl blieben. Dazu hat man die Bedürfnisse und Entwicklungsperspektiven des Theaters nochmals genau angeschaut. Ausserdem wurde ein pluridisziplinärer «Dialog Erinnerungsort» geführt, um der Frage nachzugehen, wie diese Erinnerung beschaffen ist und was es braucht, um sie zu pflegen und zu vermitteln. Das Publikum wurde in einer repräsentativen Umfrage abgeholt.

Im November 2020 nahm der Stadtrat erneut eine Güterabwägung vor. Vier Varianten waren schliesslich sorgfältig und gleichwertig als Vorlage für den Projektierungskredit ausgewählt, ausgearbeitet und in einer Weisung an den Gemeinderat formuliert und begründet worden. Die Stadtregierung beschloss aber auch, welche Lösung ihre Favoritin war – und blieb: die «Umfassende Erneuerung», die einen Neubau von Saal und Bühne erfordern würde.

Nun liegt die Vorlage bei der zuständigen Spezialkommission des Parlaments und wird dort eingehend geprüft und diskutiert. Es ist wichtig, dass alle Seiten, alle Argumente gehört und gewürdigt werden. Das ist Zürich sich selbst, seinem grössten Theater und all den kompetenten und engagierten Menschen schuldig, die sich in zehn Jahren mit dieser Aufgabe beschäftigt haben.

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